Adresse

Stiftung Freie Gemeinschaftsbank
Meret Oppenheim-Strasse 10
4053 Basel

Postadresse
Postfach
4002 Basel

Kontakt

Haben Sie Fragen?
Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

Kontakt


Tel. 061 575 81 60

Spenden

Kontoangaben

IBAN CH26 0839 2000 0282 2031 5
BIC/SWIFT FRGGCHB1XXX
Empfängerin Stiftung FGB
Zahlungszweck Kostenstelle des gewünschten Fonds

Bitte geben Sie unbedingt die Kostenstelle an, damit wir Ihre Spenden zuordnen können.


Bürozeiten

Dienstag - Donnerstag
9 – 12 Uhr & 14 – 17 Uhr

FR   |   EN

From Soil to Bar and Beyond! Von Tabea R. Weber-Fritsch

Prolog

Aus der Luft zeigen sich die Welten im Zusammenhang. Die unbekannten Flecken unter mir verweben sich in meinen Augenblicken zum Ganzen. Die Aussicht scheint mit jeder Meile verändert, eine Wahrnehmung, die ins Bewusstwerden darüber fliesst, dass alles, was ich dabei erkennen darf, nicht Teil meiner Geschichte ist. Und doch teilt sich das, was bereits hinter mir liegt, mit dem, was ich vielleicht erst noch sehen werde, denselben Moment. Was direkt unter mir ist, entzieht sich, und das verdunkelte Fenster am anderen Ende der Sitzreihe lässt den Bezug meiner Sichtweise nur noch vermuten. Manchmal gelingt es mir dort oben, über dem eisigen Grau, dem belebten Braun, dem ruhigen Blau, dem gleissenden Ocker, alles zu vergessen. Manchmal versuche ich dort oben kurz Halt zu finden, in einer Grösse, die meiner Bedeutung Sinn geben könnte. Es ist ein egoistischer Versuch meiner Vorstellungskraft, das Warum zu klären, der schliesslich in der grünen Dämmerung der ersten Träne scheitert. Im Sinkflug bekenne ich mich dankbar zur Demut darüber, dass ich Teil dieser Geschichte bin. Sie erzählt sich über die See, entlang der Kontinente. Sie erzählt vom Entdecken und Erobern, vom Verlieren und Entbehren, vom Entfernen und Entfremden. Sie wird erzählt von Menschen, die sie erfahren und solchen, die mich glauben machen wollen, sie sei verloren, die taub sind für die Sicht der unbekannten Farben, mit denen Jahrhunderte Leben malten. Es ist die Geschichte dessen, was schon weit vor mir war, die Geschichte, in der kein Schicksal allein das Grosse zu bewegen vermochte und doch jedes seine Faser geschickt mit jener zu verspinnen wusste, die erreichbar war.

Kakaogeschichten

Der Legende nach schmuggelte Tetteh Quarshie 1879 die wertvolle Kakaobohne von einer Insel auf das afrikanische Festland, ins heutige Ghana. Die Kolonialherren brachten den ursprünglich in Zentral- und Südamerika beheimateten Kakaobaum nach Afrika und legten auf den Inseln im Golf von Guinea die ersten Pflanzungen an. Während Kakao in Südamerika seit Jahrtausenden ein kulturelles Erbe darstellte, wurde er in Afrika erst im 19 Jahhundert für den wachsenden Kakaomarkt in Europa angebaut. 1958, im Jahr nach der Unabhängigkeit Ghanas, kaufte mein Grossvater fernab von seinem Heimatdorf ein Stück Land und pflanzte seine ersten Kakaobäume. Der Wald schenkt mir heute seine Ruhe in seinem ganz eigenen Rhythmus. In der Region entlang der alten Sklavenroute, über die die überwältigten Menschen einst durch die Wälder zu den Forts hoch über den Stränden der Küste getrieben wurden, wird heute grossflächig Kakao angebaut. Die Anbaustrategie folgte seit jeher dem internationalen Handel mit hohen Ertragszielen. Nicht umsonst ist Ghana heute weltweit die zweitgrösste Kakaoproduzentin. Ein inländischer Markt für Schokolade besteht kaum. Ghana reguliert den Handel mit Kakaobohnen stark. Der Kakaopreis wird behördlich festgesetzt, und Ausfuhrlizenzen sind an strenge Regeln gebunden.

Der Kakaoanbau verspricht vielen Kleinstbauern ein sicheres Einkommen, dafür sorgen lizenzierte Händler:innen, die den reibungslosen Vertrieb gewährleisten. Dennoch steht der auf Quantität ausgerichtete Kakaoanbau vor unabwendbaren Problemen: In den grossflächigen Monokulturen breiten sich schwerwiegende Krankheiten aus. Kakaowälder in ganz Westafrika sind davon betroffen und die Ertragseinbussen sind empfindlich. Die staatliche Förderung versucht dieses Problem mit chemischen Bekämpfungsmethoden, systematischer Abholzung der betroffenen Kakaopflanzungen und Neupflanzung resistenter Sorten zu lösen. Dieses Vorgehen belastet die Bauernfamilien finanziell und gesundheitlich enorm, von den negativen Auswirkungen auf das Ökosystem in den Anbaugebieten ganz zu
schweigen.

Die Gründe für die erlittenen Ernterückgänge sind mannigfaltig und die Lösungsfindung ist komplex. Die Entwicklung diversifizierter Anbausysteme, die sich auf den ursprünglichen Lebensraum des Kakaobaums zurückbesinnen und eine natürliche Umgebung schaffen, könnte Teil der Lösung sein. Für Kleinstbauern ist eine Diversifizierung unter den gegebenen Umständen jedoch wirtschaftlich nicht möglich. Kakao aus Westafrika haftet leider ein zweifelhafter Ruf an. Kennt man die Produktionsprozesse und -bedingungen, wird schnell deutlich, dass die Kleinstbauern kaum direkt Einfluss darauf nehmen können.

Die Kakaobohnen werden aus der Kakaoschote gelöst, in Bananenblättern fermentiert und auf Matten getrocknet. Diese komplexen Prozesse bestimmen die Bohnenqualität und ihr Aroma bereits wesentlich mit. Um dabei die besten Ergebnisse erreichen zu können, bedarf es eines Wissens- und Erfahrungsschatzes im Kakaoanbau, der über Generationen weitergegeben wird. Schokoladenhersteller:innen mit hohen Ansprüchen vermissen in ghanaischen Bohnen oft den einzigartigen Charakter, der sich nur bei sorgsamem Anbau und Qualitätsbewusstsein für den Fermentations- und Trocknungsprozess entwickeln kann. In industriell hergestellter Schokolade werden Qualitätsmängel oft zugunsten preisgünstiger Quantität durch Zugabe von Zusatzstoffen ausgeglichen. Die mit der Anbau- und Vermarktungsstrategie einhergehende Preisgestaltung für Kakao kann für die Bauern schwerwiegende Folgen haben - sozial, gesundheitlich, aber auch wirtschaftlich. Schlimmstenfalls fördert sie langfristig ökologische Schäden oder gar die kriminellen Strukturen des internationalen Kinderhandels.

Die Problematik ist erkannt: Es gibt sie, die Initiativen und etablierten Unternehmungen, die sich beherzt dem nachhaltigen Kakaoanbau in Ghana widmen und dabei ihre eigenen Kakao-Geschichten erzählen. Zu verdanken ist dies nicht zuletzt der schweizerisch-ghanaischen Zusammenarbeit um Yayra Glover, der seit nunmehr
zwei Jahrzenten wertvolle Pionierarbeit für biologischen Kakaoanbau in Ghana leistet.

Familiengeschichten

Ich bin entschlossen, die Kakaopflanzung meines Grossvaters zusammen mit einem meiner jüngeren Cousins weiterzuführen und neu auszurichten. Dass gerade ich an dieser Zusammenarbeit Interesse zeigte, überraschte meine Familie in Ghana wohl sehr. Für mich ist sie hingegen die logische Konsequenz aus der Geschichte, wie
sie meine Familie entlang dreier Kontinente erlebt hat.

Mit dem Projekt » From Soil to Bar and Beyond « stellen wir uns der eigenen Verantwortung und arbeiten transdisziplinär an der wissenschaftlich begleiteten Umstrukturierung der Kakaopflanzung unseres Grossvaters. Mit der Diversifizierung des Kakaowaldes gehen wir neue Wege. Unser Ziel ist es, ein ausgeglichenes Agrarforstsystem mit Ausstrahlung zu schaffen, in einer Region, in der heute noch kein biologischer Anbau betrieben wird. Aus einer Familiengeschichte, die sich entlang der Linien des transatlantischen Dreieckshandels entwickelt hat, möchte ich den Erfahrungsaustausch in eine positive Verbindung bringen, im Vertrauen auf unser gemeinsames Erbe.

Epilog

Die Wirtschaftsgeschichte hat mit dem transatlantischen Sklavenhandel, der während vier Jahrhunderten von Europa aus zwischen Afrika und den Amerikas als Teil eines Dreieckshandelssystems betrieben wurde, die dunkelsten Seiten der frühen Globalisierung gezeigt. Mit den Menschen aus ganz Afrika wurden auch bedeutende Agrar- und Heilpflanzen in die Neue Welt der Kolonialherren verschleppt. Dort wurden sie teilweise mit Hilfe des wertvollen Wissens der Versklavten weiter angebaut, während sie in der alten Heimat allmählich verschwanden. Dieser Teil der Geschichtserfahrung hat Menschen von ihrem Land und ihrer Tradition entfernt, und wertvolles Wissen geriet dadurch in Vergessenheit.

Danksagung

Eine gute Idee kann sich im regelmässigen Austausch weiterentwickeln und schärfen, schon bevor sich etwa ein grosser Finanzbedarf abzeichnet, der sich dann auch noch beziffern und planen lässt. Im vergangenen Jahr hatte ich die einzigartige Gelegenheit, meine Projektidee » From Soil to Bar and Beyond « inspirierenden Persönlichkeiten zu präsentieren und die vielfältige Fachkompetenz aus diesem Netzwerk in einem Projektworkshop nutzen zu dürfen. Kim Jana Degen, Umweltingenieurin und soziokratische Gesprächsleiterin von momo&ronja, konzipierte und moderierte für mich den Workshop mit der Empathie und Konsequenz, die für das gute Gelingen unverzichtbar waren. Dadurch konnte ich zukunftsweisende Handlungsstränge für die Weiterentwicklung meiner Idee identifizieren. Ich fühle mich der Stiftung Freie Gemeinschaftsbank und allen unterstützenden Stimmen während und ausserhalb des Workshops zu grossem Dank verpflichtet.
Der aussergewöhnlich weitsichtige Ansatz der Stiftung erlaubt es, Projekte bereits in der Konzeption zu begleiten. Nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Projekt unterstützte die Stiftung die Durchführung des Projektworkshops zusammen mit dem Projektfonds für Herzensprojekte, der ebenfalls von der Stiftung verwaltet wird, finanziell und insbesondere ideell. Ich freue mich, im Gegenzug auch meine Erfahrung punktuell in die Arbeit der Stiftung zu tragen und dadurch andere Projektideen zu bereichern. Dass ich in dieser Ausgabe des Stiftungsmagazins meine Vision zum Projekt » From Soil to Bar and Beyond « teilen darf, ehrt mich daher sehr.

Dieser Beitrag erschien in unserem Jahresbericht 2020.